Verlängerung der gesetzlichen Krankenversicherung der Studenten (KVdS)
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sind Studierende, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (Bundesrepublik Deutschland) haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Pflichtmitgliedschaft endet jedoch nicht sofort mit dem Tag vor dem 30. Geburtstag, sondern erst zum Ablauf des Semesters, indem das 30. Lebensjahr vollendet wurde (§ 190 Abs. 9 SGB V).
Anschließend werden Studierende regelmäßig, sofern kein anderer (vorrangiger) Versicherungspflichttatbestand vorliegt, ein Anspruch auf Familienversicherung besteht oder ein Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird (zum Beispiel durch eine private Krankenversicherung), aufgrund der sogenannten obligatorischen Anschlussversicherung “automatisch” freiwilliges Mitglied ihrer bisherigen gesetzlichen Krankenkasse (§ 188 Abs. 4 SGB V), durch einen Krankenkassenwechsel einer anderen gesetzlichen Krankenkasse (§ 9 SGB V) oder Pflichtmitglied aufgrund der sogenannten Auffangversicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V; selbe Beitragsbemessung wie freiwillig Versicherte > § 240 SGB V gilt; Durchführung bei der bisherigen Krankenkasse), mit der gemeinsamen Konsequenz, dass sich allein die Mindestbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung im Vergleich zu vorher fast verdoppeln.
Der zweite Halbsatz von § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sieht eine Verlängerung der Versicherungspflicht für Studierende in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze (Vollendung des 30. Lebensjahres) rechtfertigen. Gemäß der Gesetzesbegründung sei diese Ausnahmeregelung eng auszulegen. Im Ausnahmefall profitiert man dann also weiter von den günstigen Beiträgen als in der GKV versicherungspflichtiger Studierender und spart jeden Monat einen dreistelligen Euro-Betrag (im Jahr mindestens vierstellig), entsprechend interessant ist das für Studierende, die bekanntermaßen in der Regel knapp bei Kasse sind.
Bei der Auswahl der Verlängerungstatbestände hat sich der Gesetzgeber an den Vorschriften des BAföG orientiert (vgl. § 10 Abs. 3 BAföG). Die Weitergewährung von Leistungen nach dem
BAföG über das 30. Lebensjahr hinaus führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer Verlängerung der Versicherungspflicht.
Warum eigentlich die Altersgrenze bei der Versicherungspflicht für Studierende in der GKV? Die Einführung der Altersgrenze zum 1. Januar 1989 mit Übergangsregelung bis zum 31. März 1989 (zuvor gab es im § 165 Abs. 1 Nr. 5 der RVO für eingeschriebene Studenten der staatlichen und der staatlich anerkannten Hochschulen keine Altersgrenze!) geht zurück auf das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 und dem Ziel, die GKV wieder auf ihren Kern als einer Versicherung der abhängig Beschäftigten zurückführen, Missbrauch zu verhindern und der Entgegenwirkung der Tendenz, das Hochschulstudium zu verlängern. Es sei grundsätzlich nicht zu vereinbaren, dass der Personenkreis der abhängig Beschäftigten mit Risiken solcher Personen – wie der Studierenden – belastet wird, die typischerweise nicht zum Kernbereich der Versicherten gehören. Der Gesetzgeber hat daher die KVdS auf einen Altersabschnitt begrenzt, in dem der Gesundheitszustand im Allgemeinen gut ist und beitragsfrei versicherte Familienangehörige (§ 10 SGB V) oft noch nicht vorhanden sind.
Hinderungsgründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
Seit Einführung der Altersgrenze im Jahr 1989 ist schnell einiges an Rechtsprechung zur Verlängerung der studentischen Versicherungspflicht ergangen:
Die familiären und persönlichen Gründe müssen im Allgemeinen von solcher Art und solchem Gewicht sein, dass sie nicht nur aus der Sicht des Einzelnen, sondern auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme des Studiums oder seinen Abschluss verhindern oder als unzumutbar erscheinen lassen (sogenannte Hinderungsgründe). Dabei ist zu bewerten, ob und inwieweit die vorgebrachten Gründe eine Verlängerung des Studiums unumgänglich gemacht haben (vgl. BSG-Urteil vom 30. September 1992 – 12 RK 40/91 -, USK 92114).
Als Hinderungsgründe kommen nur Sachverhalte aus der Zeit zwischen dem regelmäßigen Erwerb einer (Fach-)Hochschulzugangsberechtigung durch den Betroffenen im Alter von etwa 17 bis 19 Jahren einerseits und der Vollendung des 30. Lebensjahres andererseits in Betracht. Diese Hinderungsgründe können nur vor der Aufnahme des Studiums sowie im Studienablauf in der Zeit bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eingetretene Verzögerungen sein; nur solche Hinderungsgründe, die ursächlich dafür waren, dass ein Studium bis zum Erreichen der Altersgrenze nicht abgeschlossen werden konnte, können überhaupt das Überschreiten dieser Grenze rechtfertigen (vgl. Urteil des BSG vom 15.10.2014 – B 12 KR 17/12 R -, USK 2014-113).
An der durch dieses Urteil gleichzeitig geprägten absoluten Höchstgrenze für die Versicherungspflicht als Student (37. Lebensjahr) wird angesichts des Wegfalls der Begrenzung der Fachsemesteranzahl (14 Fachsemester = 7 Jahre) bei der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V seit dem 1. Januar 2020 allerdings seitens der gesetzlichen Krankenkassen bzw. des GKV-Spitzenverbandes nicht weiter festgehalten.
Bei Studienaufnahme nach dem 30. Lebensjahr kommt die KVdS ausnahmsweise dann noch in Betracht, wenn bis zum Beginn des Studiums Hinderungsgründe bestanden haben, die für einen so späten Studienbeginn ursächlich waren (vgl. Urteil des BSG vom 30.09.1992 – 12 RK 3/91 -, USK 92118).
Weitere höchstrichterliche Rechtsprechung findet sich kurz zusammengefasst auch in den Grundsätzlichen Hinweisen des GKV-Spitzenverbandes zur Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten, Praktikanten und Auszubildenden ohne Arbeitsentgelt sowie Auszubildenden des Zweiten Bildungswegs vom 20. März 2020.
Art der Ausbildung
Zu den Tatbeständen, die zur Verlängerung der Versicherungspflicht der Studenten führen und in der Art der Ausbildung begründet sind, gehören laut den erwähnten Grundsätzlichen Hinweisen des GKV-Spitzenverbandes insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen zum Studium in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs (zzgl. der notwendigen Zeit für die Erbringung der Zugangsvoraussetzungen wie einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder Berufserfahrung beim Abendgymnasium, Kolleg oder der Berufsoberschule) oder die Teilnahme an einem studienvorbereitenden Sprachkurs, der u. a. mit der DSH-Prüfung abgeschlossen worden ist, als auch der Besuch eines Studienkollegs mit anschließender Feststellungsprüfung, sofern alles zwingende Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums!
Zählen können als Hinderungsgründe aber auch Zeiten, die aufgrund weiterer Zugangsvoraussetzungen zum Studium (Praktikum, berufliche Vorbildung, …) verlangt wurden oder Zeiten für die Beschreitung des “Dritten Bildungswegs” (Studium als beruflich Qualifizierter ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung, bspw. für Techniker, Meister, Personen mit Berufsausbildung und Berufserfahrung, etc.).
Familiäre und persönliche Gründe
Familiäre Gründe sind z. B. Erkrankungen und/oder Behinderungen von Familienangehörigen, soweit dadurch eine Betreuung oder Pflege durch den Studierenden erforderlich war.
Persönliche Gründe können sein:
- Erkrankung
- Behinderung
- Schwangerschaft, Geburt eines Kindes und die anschließende Betreuung
- Nichtzulassung zur gewählten Ausbildung im Auswahlverfahren
- Gesetzliche Dienstpflicht (Wehr- und Zivildienst) und Dienstverpflichtung als Zeitsoldat
- Gesetzlich geregelte Freiwilligendienste (FWD, BFD, FSJ, FÖJ, vergleichbare anerkannte Freiwilligendienste, Tätigkeit als Entwicklungshelfer)
- Betreuung Familienangehöriger mit Behinderung
- Mitarbeit in den Gremien der Hochschulen
Eine Verlängerung der Versicherungspflicht ist um den Zeitraum möglich, um den eine Teilnahme am Studium nicht oder nur in eingeschränktem Maße möglich war.
Feststellung durch die gesetzliche Krankenkasse
Ob die Versicherungspflicht als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung über die Vollendung des 30. Lebensjahres hinaus gerechtfertigt ist, hat die gesetzliche Krankenkasse jeweils im Einzelfall festzustellen (vgl. Urteil des BSG vom 30.09.1992 – 12 RK 40/91 -, USK 92114).
Der Antrag auf Verlängerung der Versicherungspflicht ist schriftlich einzureichen und mit geeigneten Nachweisen zu belegen. Am besten erfolgt das schon ausreichende Zeit vor dem Ende der Versicherungspflicht / KVdS oder man geht gegen den Verwaltungsakt (Bescheid) der gesetzlichen Krankenkasse über das Ende der Versicherungspflicht / Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft per Rechtsbehelf (Widerspruch) bzw. später Rechtsmittel (Klage) vor. Wir können dich bei all dem unterstützen.
Die Entscheidung der gesetzlichen Krankenkasse, dass es sich um einen Ausnahmefall handelt, der eine Verlängerung der studentischen Krankenversicherung (KVdS) rechtfertigt, wird auf ein Semester bzw. ein Trimester bezogen. Das bedeutet, dass die Krankenkasse jeweils unter Vorlage eines entsprechenden Nachweises entscheiden muss, ob die angeführten Gründe zum Verlust von einem oder mehreren Semestern bzw. Trimestern geführt haben und dementsprechend die Verlängerung der Krankenversicherung für ein oder mehrere Semester (nach Ablauf des Semesters, in dem das 30. Lebensjahr beendet wird, hinaus) gerechtfertigt ist. Diese semester- bzw. trimesterweise Betrachtung ist auch dann relevant, wenn der Verlängerungstatbestand zeitlich fest umrissen ist, beispielsweise bei der Verlängerung der studentischen Krankenversicherung um die Zeit eines gesetzlich geregelten Freiwilligendienstes.
Die Zeitgrenze gilt für alle Studenten an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule; also auch für Studenten anderer Nationalität, die in Deutschland ein Studium (z. B. Gaststudium, Ergänzungsstudium, …) aufnehmen.
Unser Service: Unterstützung bei der Verlängerung der Versicherungspflicht in der GKV bzw. gesetzlichen Krankenversicherung der Studenten
In Zusammenarbeit mit Fachanwälten für Sozial(versicherungs)recht bieten wir dir an, dich beim Antrag auf Verlängerung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V professionell zu unterstützen und zu begleiten. Dazu schauen wir gemeinsam, ob und welche Hinderungsgründe in deinem Einzelfall (erfolgsversprechend) vorgebracht werden können, helfen dir bei der Formulierung des Antrags / Widerspruchs an deine gesetzliche Krankenkasse und dem Zusammenstellen der Nachweise. Auch wenn eine Klage vor dem Sozialgericht notwendig sein sollte, weil deinem Widerspruch nicht stattgegeben (abgeholfen) wurde, helfen wir dir.
Unsere Erstanalyse deines Falls, inklusive gegebenenfalls Unterstützung bei der Antragsstellung und Prüfung des Bescheids der Krankenkasse kostet nur einmalig 69 Euro, inklusive Mehrwertsteuer. Aufgrund der Beitragsersparnis der studentischen Pflichtmitgliedschaft im Vergleich zur freiwilligen Mitgliedschaft (dreistellig pro Monat), hast du die Kosten schon nach einem Monat wieder drin. Beim Gang zum Sozialgericht würde eine individuelle Kosten-Vereinbarung erforderlich.