Versicherungen für Studenten

Internationale oder Europäische Krankenversicherung als Alternative zur deutschen PKV?

Letzte Aktualisierung am 04.12.2022 von admin

Auf dem Krankenversicherungsmarkt gibt es auch sogenannte Internationale oder Europäische Krankenversicherungen (EUKV) von Anbietern wie PassportCard, BDAE, Cigna, Foyer Global Health, Globality Health, Cigna, April, Allianz, AXA oder Morgan Price, die sich allen voran an Expats, Auswanderer oder digitale Nomaden richten und weltweit bzw. in einer bestimmten Länderzone Versicherungsschutz bieten (in anderen Länderzonen dann oftmals nur eingeschränkt bei “Notfallbehandlungen” für einen begrenzten Zeitraum).
Deutsche private Krankenversicherer bieten mit ihren Krankheitskostenvollversicherungen in der Regel nur für kurze Zeit und eingeschränkten Versicherungsschutz im außereuropäischen Ausland, länger oftmals nur gegen Mehrbeitrag.

Prinzipiell können Internationale oder Europäische Krankenversicherungen auch Versicherungsschutz im Herkunftsland beinhalten (Land, dessen Staatsangehörigkeit man besitzt oder man die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat) und damit auch in der Bundesrepublik Deutschland. Die Frage ist nun zum einen, ob diese Absicherungen für Personen mit Wohnsitz in Deutschland der allgemeinen Krankenversicherungspflicht nach § 193 Absatz 3 VVG überhaupt genügen, die es zu erfüllen gilt, und wenn ja, ob eine solche überhaupt sinnvoll wäre, denn die tarifliche Ausgestaltung dieser Krankheitsabsicherungen unterscheidet sich in doch etlichen Punkten nicht unerheblich von privaten Krankheitskostenversicherungen deutscher Versicherer, wie man sie kennt.

Eins vorneweg: Es gibt nicht DIE eine Europäische oder Internationale Krankenversicherung. Es handelt sich auch hierbei um privatwirtschaftliche Versicherungsverhältnisse, deren tarifliche Ausgestaltung höchst unterschiedlich sein kann. Doch gibt es ein paar Auffälligkeiten, die viele von ihnen gemein haben.

Keine Alterungsrückstellungen

Europäische oder Internationale Krankenversicherungen bilden in aller Regel keine Alterungsrückstellungen, anders als die Krankenversicherung, die ganz oder teilweise den im deutschen gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann (substitutive Krankenversicherung), die nach § 146 VAG im Inland, vorbehaltlich des § 146 Absatz 3 VAG (substitutive Krankenversicherungen mit befristeten Vertragslaufzeiten nach § 195 Abs. 2 und 3 VVG sowie Krankentagegeldversicherungen nach § 196 VVG können ohne Alterungsrückstellung kalkuliert werden), nach Art der Lebensversicherung zu betreiben ist.

Internationale Krankenversicherungen werden vorzugsweise nach Art der Schadenversicherung betrieben. Sie sparen keine Rückstellungen fürs Alter an und kalkulieren nach aktuellem Schadensaufwand ihrer Versicherten. Das bedeutet, dass die Versicherungsprämien nach Alter oder Altersgruppen gestaffelt sind und sich entsprechend automatisch verändern, sobald man ein bestimmtes höheres Lebensalter erreicht.

Vorerkrankungen / Moratorium

Vorerkrankungen werden bei der Europäischen oder Internationalen Krankenversicherungen speziell behandelt: Meist greift die sogenannte Moratoriumsregel oder -klausel. Krankheitsbilder, die vor Vertragsabschluss aufgetreten sind und behandelt wurden, müssen einige Zeit ruhen, bis sie als Neuerkrankung eingestuft und versichert werden. Chronische Erkrankungen, die bereits bei der Antragsstellung vorlagen, können dauerhaft vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein.

Deckungsbeschränkungen / Obergrenzen / Erstattungshöchstbeträge

Ein weiterer Punkt, der bedingungsmäßig bei Internationalen Krankenversicherungen oft direkt ins Auge springt, sind absolute Deckungsbeschränkungen oder Obergrenzen / Erstattungshöchstbeträge, in der Regel pro (Versicherungs-)Jahr in €/$/£. Für einzelne Leistungsbereiche oder sogar Leistungen können dann nochmals spezifische Deckungsbeschränkungen oder Obergrenzen gelten (z.B. oft für Hilfsmittel, Schwangerschaftsleistungen / Entbindung, angeborene Leiden oder auch verschreibungspflichtige Arzneimittel).

5.000 Euro-Selbstbehaltsgrenze nach § 193 Absatz 3 Satz 1 VVG

Soll ein Krankheitskostenvertrag der deutschen Krankenversicherungspflicht nach § 193 Absatz 3 VVG genügen, so muss die Krankheitskostenversicherung bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen (EWR-Dienstleister sind grundsätzlich gleichgestellt!) mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung vorsehen, was auch Internationale Krankenversicherungen (natürlich) können, ggf. über verschieden kombinierbare “Bausteine”.

Darüber hinaus müssen jedoch die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich maximal 5.000 Euro begrenzt sein.

Absolute Selbstbehalte sind Beträge, die der oder die Versicherte pro Kalenderjahr für bestimmte oder alle Leistungsbereiche selbst zu tragen hat, bevor der Erstattungsanspruch entsteht. Prozentuale Selbstbehalte sind dadurch gekennzeichnet, dass der Versicherer die Kosten bestimmter, grundsätzlich versicherter Leistungen stets nur prozentual übernimmt. An diesem Punkt der Selbstbehaltsgrenze scheitern dann die Internationalen Krankenversicherungen.

Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass der Begriff des Selbstbehalts auch (primäre und sekundäre) Leistungs- oder Risikobegrenzungen und Risikoausschlüsse erfasst (Marlow/Spuhl, VersR 2009, 593, 596; Grote/Bronkars, VersR 2008, 580, 581; Langheid, NJW 2007, 3745, 3749). Immer, wenn Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung – aufgrund vertraglicher Vereinbarung – nicht erstattet werden müssten, wirke dies wirtschaftlich wie ein Selbstbehalt (Marlow/Spuhl, VersR 2009, 593, 596). Der Versicherungsnehmer habe in diesen Fällen – wie bei einem klassischen Selbstbehalt – vertraglich keinen Kostenerstattungsanspruch, sei es, dass z.B. Aufwendungen nur bis zum 1,8-fachen der GOÄ ersetzt, nur 30 Psychotherapie-Sitzungen im Jahr erstattet oder Leistungen, bspw. künstliche Befruchtungen, insgesamt vom Versicherungsschutz ausgenommen seien (Marlow/Spuhl, VersR 2009, 593, 596). Es sollen nach dieser Literatur also nicht nur Selbstbehalte erfasst werden, sondern alle Eigenbeiträge der Versicherten. In der Konsequenz wären jenseits der Grenze von 5.000 Euro die Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen vom Versicherer immer voll zu erstatten.

Dieser Rechtsauffassung kann entgegnet werden: § 193 Absatz 3 Satz 1 VVG bezieht den Begriff des Selbstbehalts ausdrücklich auf “tariflich vorgesehene Leistungen”, nicht aber auf tariflich nicht vorgesehene Leistungen (wie hier Marko, Private Krankenversicherung, B Rn 25; Looschelders/Pohlmann/Reinhard, § 193 Rn 9; Both, VersR 2011, 302, 304). Einzuräumen ist zwar, dass die Effektivität der Kranken- als Pflichtversicherung gefährdet wird, wenn das Leistungsversprechen des Krankenversicherers durch großzügige Leistungs- und Risikoausschlüsse ausgehöhlt wird. Prüfungsmaßstab für die Erfüllung der Versicherungspflicht ist in diesem Fall jedoch nicht die 5.000 Euro-Grenze, sondern die Frage, ob eine – im Lichte des mit § 193 Absatz 3 Satz 1 VVG verfolgten Normzwecks – (noch) adäquate Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlungen gewährleistet ist (insoweit anders: Marko, Private Krankenversicherung, B Rn 31, der auf der Basis von § 12 Abs. 1 VAG a.F. darauf abstellt, ob die Krankenversicherung geeignet ist, die gesetzliche Krankenversicherung ganz oder teilweise zu ersetzen).

Die Frage ist nicht trivial, da auch viele private Krankheitskostentarife bei deutschen Versicherern natürlich Leistungsbeschränkungen in unterschiedlichen Bereichen vorsehen (insbesondere im “günstigeren Einsteigersegment”), zum Beispiel bei ambulanten Heilbehandlungen ohne vorherigen Kontakt des Haus-/Primärarztes keine 100 % Kostenerstattung, oder Hilfsmittel und Heilmittel nicht zu 100 %, nur eine begrenzte stationäre psychotherapeutische Behandlung oder die Anzahl der erstattungsfähigen Psychotherapiesitzungen begrenzen uvm., und so auch leicht Eigenbeiträge von über 5.000 Euro im Kalenderjahr anfallen können. Es ist also keinesfalls so, dass es in solchen Versicherungsverträgen per se eine bedingungsmäßige Begrenzung der Eigenleistungen auf 5.000 Euro pro Versicherungsjahr der versicherten Leistungen im ambulanten und stationären Heilbehandlungsbereich gäbe!

Fall aus Bayern

Es existiert ein Endurteil vom LG Nürnberg-Fürth, vom 27.04.2017 – 2 O 7905/15 in Verbindung mit OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.12.2017 – 8 U 1054/17, dass eine bei einem britischen Versicherungsunternehmen “Aria Insurance Limited” gehaltene private Krankenversicherung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 193 Absatz 3 VVG genügte, weil die vereinbarten Erstattungsregeln (u.a. “ambulanten Arzthonorare inklusive Arznei- und Verbandmittel” auf maximal 5.000 € pro Kalenderjahr oder 1.000 € jährlich für “ambulante Chirotherapie, Homöopathie u.a. sowie für Physiotherapie”) gegen die gesetzliche Höchstgrenze von 5.000 € pro Kalenderjahr für Eigenleistungen des Versicherten verstießen.

Interessant ist, dass das Gericht hier “Selbstbehalte” und vereinbarte “Obergrenzen” für jährliche Erstattungsleistungen auf bestimmten Gebieten (für bestimmte versicherte Risiken) als Eigenbeiträge der Versicherten gleichbehandelt, etwa über bestimmte Leistungsbegrenzungen hinausgehende Selbstzahlungen (Hilfsmittel, therapeutische Leistungen oder ähnliches) zu berücksichtigen seien, also nicht nicht nur Selbstbehalte im klassischen Sinne.

Zudem erfüllt laut dem Urteil ein Folgeversicherungsvertrag nur dann die Anforderungen an eine Pflichtversicherung in Sachen des § 193 Abs. 3 VVG, wenn er den Anforderungen des § 146 VAG entspricht, also substitutiven Krankenversicherungsschutz bietet.

(Nicht-)Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts

Nach § 146 VAG muss im Versicherungsvertrag unter anderem auch das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherungsunternehmens ausgeschlossen sein, was Internationale Krankenversicherungen nicht zwangsläufig erfüllen (Verträge werden meist nur für ein Jahr angeboten und verlängern sich automatisch, wer nicht zahlt verliert jedoch seinen Schutz, während eine deutsche PKV auch bei Zahlungsverzug oder Zahlungsausfall nicht kündigen darf), wie auch ein Tarifwechselrecht in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz.

Was die BAFIN noch sagt: Deutsches Recht muss gelten

Auch die BAFIN weist auf ihrer Webseite auf folgendes hin: Verträge, die mit EWR-Dienstleistern zur Erfüllung der Versicherungspflicht geschlossen werden, unterliegen deutschem Recht.

Dies ergibt sich aus Artikel 7 der europäischen Rom-I-Verordnung in Verbindung mit § 46c Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) und § 193 Absatz 3 VVG. Nach § 208 VVG dürfen die Vertragsregelungen von den Vorschriften für die Krankenversicherung, die die §§ 194 bis 199 und 201 bis 207 VVG vorgeben, nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abweichen.

Zugunsten des Versicherungsnehmers greift auch die Vorschrift des § 215 VVG, die bestimmt, dass für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung jeweils das örtliche Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat. Das bedeutet, dass Versicherungsnehmer ihren EWR-Versicherer oder -Vermittler im Streitfall dort verklagen können.

Leistungsauschlüsse oder -einschränkungen

Leistungsauschlüsse oder -einschränkungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung aufgrund bestimmter Krankheiten sind ebenso nicht selten in Internationalen Krankenversicherung vorzufinden (etwa HIV, Allergien, ambulante und stationäre Psychotherapie). Manch ein Versicherungsschutz beschränkt sich wiederum sogar auf die Behandlung bestimmter Krankheiten.

Wartezeiten

Einige Internationale Krankenversicherungen haben für bestimmte Leistungen oder Leistungsbereiche ziemlich lange sogenannte besondere Wartezeiten von manchmal 10 oder gar 24 Monaten. In deutschen Versicherungsverträgen findet eine Anrechnung statt bzw. entfallen allgemeine und besondere Wartezeiten, wenn eine Vorversicherung vorhanden ist (§ 197 VVG).

Schriftliche Leistungszusagen / Genehmigungen

Nicht wenige Internationale Krankenversicherungen sehen für verschiedene Leistungen (bspw. Psychotherapie, Heilmittel, Hospiz, Anschlussheilbehandlung / Anschlussrehabilitation …) schriftliche Leistungszusagen oder Genehmigungen vor, bevor eine Leistung erbracht wird. Da dies für den Versicherten kaum kalkulierbar ist und klare, weitergehende Regelungen in den Verträgen fehlen, wann diese erteilt werden, ist man hier mehr oder weniger der “Willkür des Versicherers” ausgesetzt.

Diese KANN-Leistungen gibt es auch in deutschen PKV-Verträgen, jedoch eher nicht sofort, sondern bei Weiterleistungen über eine bestimmte Sitzungszahl hinaus (Psychotherapie) oder in der Folge “abgeschwächt”, dass Erstattungsbeträge herabgesetzt werden, wenn der Versicherer zuvor nicht kontaktiert wurde.

Fazit

Summa somarum erscheint es extrem schwierig bis unmöglich, eine Europäische oder Internationale Krankenversicherung zu finden, die den gesetzlichen Anforderungen in Deutschland entspricht. Die Frage ist, inwiefern Abstriche gemacht werden können, ob bspw. § 193 Absatz 3 VVG überhaupt eine substitutive Krankenversicherung verlangt, die nach Art der Lebensversicherung zu betreiben ist (vgl. jedoch BVerfGE 123, 186 Rn. 14).

Eventuell reicht es auch aus, nach einer Internationalen Krankenversicherung zu schauen, die insgesamt keine absoluten Obergrenzen / Erstattungsregeln kennt (die gibt es auch) und auch im ambulanten / stationären Bereich auf selbige verzichtet (schwieriger). Diesbezüglich wird man bspw. beim BDAE fündig.

Fehlende oder beschränkte tarifliche Leistungen in bestimmten Bereichen (bspw. Psychotherapie) scheinen auch mit Hinblick auf deutsche private Krankheitskostenversicherungen sicherlich zumutbar, genauso wie individuelle Riskoausschlüsse aufgrund von bspw. Vorerkrankungen. Generelle Ausschlüsse in Bezug auf bestimmte Erkrankungen (wie bspw. HIV/AIDS oder Krebsleiden) scheinen da eher ein Problem darzustellen, genauso wie der Ausschluss von nach Vertragsschluss auftretenden Krankheiten im Krankenversicherungsschutz.

Wenn die Europäische / Internationale Krankenversicherung der Versicherungspflicht nicht genügt

Genügt der Versicherungsvertrag mit dem EWR-Dienstleister den gesetzlichen Voraussetzungen nicht, sind Versicherte doppelt bestraft. Sie leiden dann nicht nur unter der gegebenenfalls eingeschränkten Leistungspflicht der Europäischen / Internationalen Krankenversicherung, sondern kommen auch ihrer Versicherungspflicht (zeitweise) nicht nach. Wird nachträglich ein Vertrag geschlossen, der der Versicherungspflicht nach § 193 Absatz 3 VVG genügt, muss wegen des verspäteten Abschlusses zusätzlich ein Prämienzuschlag entrichtet werden – etwa, wenn von einer Europäischen / Internationalen Krankenversicherung zu einem deutschen Versicherer gewechselt wird.

Pflegepflichtversicherung

Nach Maßgabe des § 23 Absätze 1 und 2 des SGB XI müssen sich privat Krankenversicherte bei einem privaten Versicherungsunternehmen auch gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichern. Dies kann aber bei jedem privaten Versicherungsunternehmen in Deutschland geschehen.